Empfehlungen zur zahnmedizinischen Prävention im Sport

Sportliche Aktivität auf Hobby- oder Leistungsniveau in Kombination mit modernen Lebensgewohnheiten, wie dem Konsum spezieller Nahrung und Diäten, sorgt dafür, dass sportlich aktive Menschen zu einer speziellen Risikogruppe im Bereich der Mundgesundheit gehören. Die DGPZM empfiehlt oralprophylaktische Maßnahmen zur Vermeidung von oralen Erkrankungen und zum Erhalt der Mundgesundheit auch bei höherer körperlicher Belastung.

Die Mundgesundheit in Deutschland ist auf einem sehr hohen Niveau. Ein großer Prozentsatz von Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die zur Gruppe der Hobby- und Leistungssportler gehören, ist kariesfrei und mundgesund. Vornehmlich gilt es in dieser Risikogruppe, die Entstehung oraler Erkrankungen durch präventive Interventionen zu vermeiden. Im Vergleich zum Hobbysportler sind Athleten, welche den Sport auf einem professionellen Niveau betreiben, meist einer höheren und längeren körperlichen Belastung ausgesetzt. Hier ist es wichtig sportliche Einschränkungen und Trainingsausfälle, welche auch durch orale Erkrankungen entstehen können, zu beseitigen oder vorsorglich Risiken zu minimieren.

Durch präventive Interventionen können derartige Ausfälle, die durch akut notwendige Behandlungsmaßnahmen verursacht werden, in wichtigen Wettkampf- und Trainingsphasen vermieden werden. Aus Sicht der Präventivzahnmedizin wird daher empfohlen oralprophylaktische Maßnahmen bereits im Kindes- und Jugendalter zu etablieren, um spätere Komplikationen in der Profilaufbahn möglichst zu vermeiden.

Karies

Karies ist ein multifaktorieller Prozess, wobei hautsächlich der Mensch, seine Mikroorganismen, die Ernährungs- und Mundhygienegewohnheiten sowie die Fluoridzufuhr eine Rolle spielen. Bei Gesundheit (Homöostase) befindet sich das orale Ökosystem im Gleichgewicht. Beim Auftreten von Karies besteht ein Ungleichgewicht (Dysbiose) in der Mikroflora der Mundhöhle, welches beispielsweise durch ungünstige Ernährungsgewohnheiten (häufiger Zuckerkonsum), schlechte Mundhygiene, etc. ausgelöst werden kann. Bedeutsam als Substrat für die kariesfördernde Mikroflora in der Mundhöhle sind vor allem kurzkettige Kohlenhydrate, die durch Bakterien zu Säuren verstoffwechselt werden und den Zahn entmineralisieren. Wirken diese über einen längeren Zeitraum auf die Zahnhartsubstanz ein, so kann es zur Auflösung von Hydroxylapatitkristallen, einem Hauptbestandteil von Zahnschmelz und Dentin, kommen. Während Produkte mit kurzkettigen Kohlenhydraten im Training eine rasche Energiezufuhr ermöglichen, weisen diese jedoch gleichzeitig aus Sicht der Zahnheilkunde ein erhöhtes kariogenes Potential auf. Die oftmals klebrige Konsistenz von Sportlernahrung, beispielsweise bei Riegeln oder Gelen, sorgt zusätzlich für eine längere Verweildauer im Mundraum und somit einen längeren Kontakt von kariogener Nahrung an den Zahnoberflächen.

Tabelle 1

Aus Sicht der Präventivzahnmedizin sind für Sportler auf Hobby- oder Leistungsniveau folgende Interventionen zur Vorbeugung von Karies zu empfehlen:

12x täglich Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahncreme (1.450 ppm Fluorid)
2Menge und Häufigkeit zuckerhaltiger Mahlzeiten und Getränke geringhalten
3Teilnahme an strukturierten Prophylaxeprogrammen der Zahnärzte
4Zahnzwischenraumhygiene: 1x täglich Interdentalraumbürstchen (bei Engständen Zahnseide) verwenden
5Fluoridhaltige Mundspüllösung mit antimikrobiellen Wirkstoffen
61x pro Woche Elmex Gelée (besonders bei erhöhtem individuellem Kariesrisiko)
7Bei Kindern/Jugendlichen: Versiegelung kariesgefährdeter Fissuren
Zahnerosionen

Bei Zahnerosionen handelt es sich um nicht-kariesbedingte Defekte an den Zahnhartsubstanzen, die durch den übermäßigen Genuss von sauren Nahrungsmitteln und Getränken entstehen können. Säuren aus Nahrungsmitteln und Getränken sorgen in der Mundhöhle bei Kontakt zur Zahnhartsubstanz für eine Auflösung, der sog. Demineralisation. Sportler haben in der Regel einen gesunden Lebensstil oder Trainingsgewohnheiten, die oftmals mit dem Konsum saurer Nahrungsmittel wie Obst, Salate oder Speichelstimulation durch Lutschen saurer Nahrung etc. vergesellschaftet ist. Speziell sog. Sportlergetränke und Energy-Drinks weisen einen niedrigen (sauren) pH-Wert auf, z.B. „Powerade (Lemon)“ pH: 3,74, „Isostar“ pH: 3,87 und „Gatorade (Sour)“ pH: 3,17. Bei fortgeschrittenen Zahnerosionen reichen die Defekte bis ins Dentin und verursachen Überempfindlichkeiten bis hin zu Schmerzen an den Zähnen. Des Weiteren können Erkrankungen des Magen-Darm-Traktes, sog. Refluxerkrankungen vorliegen und eine Ursache für Zahnerosionen sein. In diesem Fall gelangt die saure Magensäure in den Mundraum und kann Säureschäden an den Zähnen verursachen. Besteht bei einem Sportler ein solcher Verdacht, so empfiehlt sich zeitnah eine internistische (gastroenterologische) Abklärung und Weiterbehandlung. In speziellen Fällen lassen sich durch Zahnerosionen erste Anzeichen für das Syndrom der sog. „female athlete triad“ feststellen. Bestehend aus den drei miteinander verbundenen Komponenten der Essstörung, Amenorrhoe und Osteoporose, gilt das Vorkommen von dentalen Erosionen dabei als körperliches Anzeichen für eine potentielle Bulimie.

Tabelle 2

Aus Sicht der Präventivzahnmedizin sind für Sportler auf Hobby- oder Leistungsniveau folgende Interventionen zur Vorbeugung von Karies zu empfehlen:

12x täglich Zähneputzen mit fluoridhaltiger Zahncreme (1.450 ppm Fluorid)
2Menge und Häufigkeit säurehaltiger Mahlzeiten und Getränke geringhalten, Zufuhr von Kalzium – und Phosphathaltigen Milchprodukten erhöhen
3Teilnahme an strukturierten Prophylaxeprogrammen der Zahnärzte
41x pro Woche Elmex Gelée
5Bei Verdacht auf Reflux oder Bulimie weitere medizinische Abklärungen in die Wege leiten
Gingivitis und Parodontitis

Gingivitis ist die Entzündung des Zahnfleischs, welche (außer in der Schwangerschaft) durch nicht ausreichende Plaquekontrolle (Zahnbeläge) verursacht wird. Bakterien in der Zahnplaque sondern toxische Stoffe ab, die eine Entzündungsreaktion des Zahnfleischs hervorrufen. Rötungen, Schwellungen und Zahnfleischbluten sind Zeichen von Gingivitis. Die Therapie ist kausal: Durch professionelle Zahnreinigungen und Mundhygieneinstruktionen lässt sich Zahnplaque entfernen, die häusliche Mundhygiene verbessern und die Gingivitis kann vollständig abheilen. Bestehen eine Gingivitis und Zahnbeläge für längere Zeit und kommen zusätzlich Faktoren wie genetische Disposition, schlechtes Immunsystem, Rauchen, Stress und Allgemeinerkrankungen wie z.B. Diabetes mellitus hinzu, kann es zur Parodontitis kommen. Parodontitis ist eine chronische, multifaktorielle Erkrankung des Zahnhalteapparates, die im Gegensatz zur Gingivitis zu irreversiblen Verlusten am Kieferknochen und Zahnhalteapparat führt und meist im fortgeschrittenen Erwachsenenalter auftritt. Selten gibt es auch rasch fortschreitende Formen der Parodontitis, von der auch Kinder und junge Erwachsene betroffen sein können. Bei der Parodontitis entsteht in der Mundhöhle eine Dysbiose, also ein Ungleichgewicht in der oralen Mikroflora mit dem Überwiegen von parodontal pathogenen Keimen, die insbesondere in Zahnfleischtaschen sitzen. Parodontitis verläuft schubweise und zunächst ohne klinische Anzeichen wie Schmerzen. Zeichen für eine Parodontitis können Mundgeruch, Zahnfleischbluten, Schwellungen, Eiteraustritt an Zahnfleischtaschen und, in einem sehr fortgeschrittenen Stadium, Zahnlockerung sein.

Tabelle 3

Aus Sicht der Präventivzahnmedizin sind für Sportler auf Hobby- oder Leistungsniveau folgende Interventionen zur Vorbeugung von Karies zu empfehlen:

12x täglich Zähneputzen zur gründlichen Entfernung der Zahnbeläge mit fluoridhaltiger und antimikrobiell wirksamer Zahnpasta
2Zahnzwischenraumhygiene: 1x täglich Interdentalraumbürstchen (bei Engständen Zahnseide) verwenden
3Einsatz von gebrauchsfertigen Mundspüllösungen mit antimikrobiell wirksamen Substanzen Merke: 1. Mundspüllösungen sind kein Ersatz für das Zähneputzen! 2. Selbst angemischte Präparate sind nicht ausreichend wirksam!
4Teilnahme an strukturierten Prophylaxeprogrammen der Zahnärzte
5Raucherentwöhnung
Speichel

Zum Schutz vor Karies und Zahnerosionen spielt Speichel eine wichtige Rolle. So kommt es durch Kalzium- und Phosphationen aus dem Speichel zu einer Remineralisation der Zahnhartsubstanz. Weitere Eigenschaften sind zudem die Verdünnung und Neutralisation von Säuren in der Mundhöhle und die Gleitfähigkeit und Andauung von Nahrung. Der Speichelfluss und die -zusammensetzung unterliegen zirkadianen Schwankungen über den Tag. Sportliche Belastungen beeinflussen zusätzlich die Sekretionsrate des Speichels und es kommt bei Belastung zur Abnahme des Speichelflusses und einer Zunahme der Mundtrockenheit. Liegt bei Sport eine Mundatmung vor, führt dies zu einer verstärkten Austrocknung der Schleimhäute und die Schutzfunktion des Speichels wird beeinträchtigt. Zum Schutz von Schleimhäuten und Zähnen ist eine regelmäßige Flüssigkeitszufuhr in Form nicht sauren oder gesüßten Getränken ist empfehlenswert. Bei dauerhaft niedrigen Speichelfließraten ist aus präventiver Sicht der Einsatz von Speichelersatzpräparaten zu erwägen und ein Zahnarzt zu konsultieren. Gewohnheiten zur Speichelstimulation während des Trainings beispielsweise durch Lutschen saurer Nahrung o. ä. sollten aufgrund des Risikos für Zahnerosionen unterlassen werden. Bei ausdauerndem Training im Wassersport ist auf eine hohe Wasserqualität der Pools zu achten, denn Poolwasser gelangt in die Mundhöhle und verdünnt den Speichel.

Zahntrauma

Je nach Sportart werden unterschiedliche Arten von Traumata beobachtet, bei jeder Sportart werden jedoch Verletzungen im Kopfbereich und an den Zähnen berichtet. Für Sportarten mit hohem Risiko für Verletzungen im Kopfbereich wird daher das Tragen spezieller Zahnschutzschienen empfohlen. Aus Daten der Unfallversicherung VBG lässt sich das anteilig größte Risiko für Eishockeyspieler (17,5 %), gefolgt von Handballern (9,1 %) und Basketballern (7,6 %) feststellen, Im Bereich des Wassersports liegt die häufigste Gefahr im Ausrutschen auf nassem Boden und einem Sturz mit möglicher Kopf- und Zahnverletzung. Aufgrund der anatomischen Gegebenheiten sind Zahnverletzungen vermehrt im Frontzahnbereich lokalisiert. Die Verletzungen im Bereich der Zähne können, müssen jedoch nicht zwangsläufig, einen Ausfall für die Sportler bedeuten. Diese reichen von rein ästhetischen Defekten bis hin zu Verletzungen, welche mehrere zahnärztliche Behandlungen notwendig machen. Bei kleineren Zahnfrakturen ist oftmals keine akute Behandlung notwendig. Größere Traumata mit Beteiligung der Pulpa, bei der eine Wurzelkanalbehandlung die Folge ist, nehmen hingegen mehr Behandlungszeit in Anspruch. Dies gilt auch für Unfälle, bei denen Zähne komplett verloren gehen. Zum Management von Zahntraumata gehört für Sportvereine und Verbände das Vorhalten von sogenannten Zahnrettungsboxen. Hierin befindet sich ein spezielles Zellnährmedium, in dem abgebrochene Zahnfragmente, ausgeschlagene Zähne etc. bis zu 24 Stunden gelagert werden können. Bei komplett ausgeschlagenen Zähnen sollte ein Abwischen oder eine Desinfektion vor allem im Bereich der Zahnwurzeln tunlichst vermieden werden. Ist keine Zahnrettungsbox vorhanden, so können Zähne und Zahnfragmente auch kurzzeitig in H-Milch gelagert werden bis eine Vorstellung beim Zahnarzt erfolgt. Weitere Informationen zum Management von Zahnverletzungen können der ZahntraumaApp entnommen werden: https://www.dget.de/fuer-zahnaerzte/traumaapp

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